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Wo das Wasser in den See fließt

Der Rhein, über den der Großteil des Wassers in den Bodensee fließt, hat mit seinen Überschwemmungen das Leben im Tal seit jeher maßgeblich geprägt.

Wo das Wasser in den See fließt

Unter dem Eindruck von drei kurz hintereinander stattfindenden Hochwasserereignissen in den Jahren 1888, 1890 und 1892 einigten sich das habsburgische Österreich und die Schweiz darauf, den zu diesem Zeitpunkt seit 70 Jahren verhandelten Staatsvertrag zur Rheinregulierung endlich zu ratifizieren. Ein Bauprozess begann, der das Alpenrheintal letztlich zu dem machte, was es heute ist: Eine dicht besiedelte, wirtschaftlich und kulturell prosperierende Region, deren Bewohner sich an die Gefahr, die »der größte Wildbach Europas« früher bedeutete, nicht mehr wirklich erinnern.

 

Diese kurze historische Einleitung ist notwendig, um den Stellenwert von zwei besonderen »Sehenswürdigkeiten« zu verstehen, die das Vorarlberger Bodenseeufer heute zu bieten hat. Die eine ist die sogenannte Rheinvorstreckung, die andere das Rheindelta. Beide liegen unmittelbar nebeneinander, repräsentieren aber zwei auf den ersten Blick diametral gegensätzliche Gestaltungsprinzipien.

Die Rheinvorstreckung ist das letzte im Bau befindliche Teilstück des 1895 begonnenen Regulierungsprojekts, dessen Notwendigkeit und Gesamterfolg heute von niemandem mehr ernsthaft bezweifelt wird. Allerdings hatte die Begradigung, Verkürzung und Eindämmung des Flusslaufes auch Nebenwirkungen. Eine davon war, dass durch das schneller fließende Wasser das Mündungsgebiet zu verlanden drohte. Um diesen Vorgang aufzuhalten, werden seit 1972 die Dämme über das Ufer hinaus verlängert, damit der Fluss das mitgeführte Material in immer tieferem Wasser ablagern kann. Mittlerweile reicht die von oben deutlich sichtbare Schleife mehr als 3 Kilometer weit hinaus in den See. Es ist verständlich, dass so manch sensibler Beobachter angesichts der bloßen Monumentalität, die das Bauwerk mittlerweile ausstrahlt, den Kopf schüttelt. Führt der Rhein allerdings viel Wasser und damit auch viel Schlamm mit sich, dann ist draußen an den Spitzen der Dämme sehr deutlich zu erkennen, welchen wichtigen Zweck sie erfüllen.

Das Rheindelta am Bodensee ist eines der wichtigsten Naturschutzgebiete Mitteleuropas und eine Bilderbuchlandschaft im wahrsten Sinn des Wortes.

Aber auch jenen Menschen, die Ingenieursleistungen wie diese nicht bestaunenswert finden, sei eine Wanderung auf dem Damm empfohlen, und zwar auf der linken, der Fußacher Seite. Dort kommt man nämlich am Naturschutzgebiet Rheindelta vorbei und hat die Gelegenheit, 2000 Hektar Flachwasser, Schilfröhricht, Feuchtwiesen und Auwald zu überblicken, die unter anderem als Natura-2000-Gebiet beziehungsweise als Fauna-Flora-Habitat nach den entsprechenden EU-Richtlinien ausgewiesen sind. Darüber hinaus leistet dieser Raum als bedeutendes europäisches Brut- und Rastgebiet für über 300 verschiedene Vogelarten einen wichtigen Beitrag zu deren Überleben.

 

Die Ideen der Rheinvorstreckung und des Rheindeltas könnten nicht widersprüchlicher sein. Und doch haben sie beide ihre Wurzeln in einer vernünftigen Haltung gegenüber der Natur, nur einmal geht es um deren Zähmung, das andere Mal um deren Schutz. In Vorarlberg ist die Erkenntnis, dass beide Aspekte vereinbar sind und sein müssen, schon weiter entwickelt als anderswo. Das ist unter anderem am Willen der Regierung zu erkennen, das Leben im Land bis zum Jahr 2050 energieautonom zu gestalten. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

(wm)
Fotos: Gerhard Klocker
Erstes Foto im Fließtext: Achim Mende / Vorarlberg Tourismus

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